Kaufratgeber_Mercedes_R129_Titel.jpg

Tobias Zoporowski

Praxisratgeber
Klassikerkauf

Mercedes
SL R 129

Alle Modelle von 1989-2001

HEEL

HEEL Verlag GmbH

Gut Pottscheidt
53639 Königswinter
Telefon 0 22 23 / 92 30-0
Telefax 0 22 23 / 92 30-13
Mail: info@heel-verlag.de
Internet: www.heel-verlag.de

© 2016 HEEL Verlag GmbH, Königswinter

Alle Rechte, auch die des Nachdrucks, der Wiedergabe in jeder Form und der Übersetzung in andere Sprachen, behält sich der Herausgeber vor. Es ist ohne schriftliche Genehmigung des Verlages nicht erlaubt, das Buch und Teile daraus auf fotomechanischem Weg zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer bzw. mechanischer Systeme zu speichern, systematisch auszuwerten oder zu verbreiten. Ebenso untersagt ist die Erfassung und Nutzung auf Netzwerken, inklusive Internet, oder die Verbreitung des Werkes auf Portalen wie Googlebooks.

Alle Angaben ohne Gewähr!

Verantwortlich für den Inhalt: Tobias Zoporowski; Fotos: Tobias Zoporowski, Daimler AG, Martin Henze; Lektorat: Jost Neßhöver; Satz und Gestaltung: Ralph Handmann; Titelbild: Jörg Hajt; Druck und Verarbeitung: D + L Reichenberg GmbH, Bocholt

Printed in Germany

ISBN: 978-3-95843-357-1

Inhalt

Einleitung – Zum Zweck dieses Buches

1. Der richtige Wagen?

2. Kosten – erschwinglich oder nicht?

3. Leben mit einem SL R 129

4. Relative Werte

5. Vor der ersten Inaugenscheinnahme

6. Inspektionsausrüstung

7. 15-Minuten-Prüfung

8. Die wichtigsten Problemzonen

9. Realistische Bewertung

10. Auktionen – ein anderer Weg zum Traumwagen

11. Papiere für eine vollständige Dokumentation

12. Wie viel ist „er“ wert?

13. Restaurieren – ja oder nein?

14. Lackprobleme

15. Konditionsprobleme

16. Wichtige Adressen und ­Ansprechpartner

17. Daten und Fakten

Einleitung – Zum Zweck dieses Buches

Der R 129 – Sportliche Eleganz

SL. Zwei Buchstaben, die Mercedes-Fans seit jeher in Verzückung versetzt haben. Wo ein SL ist, ist oben. Oder vorn. Je nach Blickwinkel. Ein SL ist die Speerspitze schwäbischen Automobilbaus. In diesem Fahrzeug steckt alles, was Mercedes-Benz-Ingenieure zu ihrer Zeit zu leisten vermögen. Das ist übrigens bis heute so. Ein SL ist stets Technologieträger und Stilikone.

Als die Baureihe R 129 im Jahr 1989 auf dem Genfer Automobilsalon der Öffentlichkeit präsentiert wurde und damit den Longseller R/C 107 nach 18 (!) Jahren Bauzeit ablöste, war dies ein radikaler Schnitt. Obschon weiter als zweisitziger Roadster ausgelegt, setzte der R 129 von Beginn an einen eigenen Maßstab.

Das ungemein elegante und satt auf der Straße ruhende Karosseriedesign, das wiederum Jahrzehnte überdauern sollte, ohne je altmodisch zu wirken, verzichtete vollständig auf die bis dato typischen Chromapplikationen und entsprach so dem Zeitgeist, war in gewisser Hinsicht gar „modisch“. Ein Attribut, dass sich der Hersteller sonst eher ungern nachsagen ließ.

Natürlich war es aber nicht nur das ausgesprochen dauerhafte Design, das den Erfolg des offenen Sportwagens aus Bremen (nicht Sindelfingen!) ausmachte. Der R 129 legte vor allem in Sachen Sicherheit die Messlatte extrem hoch. So verwindungssteif wie seine Karosserie war zuvor noch kein Roadster-Blechkleid gewesen. Die aus insgesamt fünf Magnesium-Teilen zusammengefügten Vordersitze waren integraler Bestandteil des Sicherheitskonzepts und dienten dem Seitenaufprallschutz.

Nicht zu vergessen der im normalen Betrieb voll versenkte Überrollbügel, der im Falle eines drohenden Überschlages sensorgesteuert binnen 0,3 Sekunden hochschnellte und die Köpfe der Insassen schützte. Ein solches Element wurde erstmals im Automobilbau eingesetzt.

Technik, die heute fast üblich ist, war damals vor allem in Hinblick auf ihre Langzeithaltbarkeit kaum einzuschätzen. Mercedes-Benz selbst empfahl anfangs den Austausch der Airbageinheiten nach 10 bis 15 Jahren. Aus Sicherheitsgründen. Später wurde die Empfehlung offiziell aufgehoben, dem Autor sind keine Fahrzeuge bekannt, bei denen die ab Werk verbauten „Schutzsäcke“ jemals ohne besonderen Anlass ersetzt wurden.

Offen ist er am schönsten: Auch 15 Jahre nach Produktionsende strahlt der Mercedes SL der Baureihe 129 lässige Eleganz aus. Selbst wenn das elektrohydraulische Verdeck geöffnet ist, weht kein Orkan durchs Cockpit. Mit dem serienmäßigen Windschott (rechts im Sondermodell „Silver Arrow“ mit Chromrand) gleich gar nicht.

Ein Mercedes SL der Baureihe R 129 ist auch heute noch ein Fahrzeug auf der Höhe der Zeit. Technisch sowieso. Optisch ruht er, inmitten vielerlei Stylinggags und Designeskapaden, die als zeitgemäß verkauft werden, angenehm in sich. In einem gepflegten Exemplar fühlt man sich stets gut angezogen und darf immer noch stilsicher über den knirschenden Kies einer exklusiven Hotelzufahrt rollen. Deplaziert ist dieses Auto dort keinesfalls.

Bevor Sie sich nun auf die Suche nach „Ihrem“ R 129 machen, sollten Sie sich darüber bewusst werden, dass ein SL niemals wirklich billig ist. Er war es zu Beginn seiner Bauzeit nicht, und er ist es auch heute nicht. Einen R 129 in ordentlichem Zustand zu erwerben und zu erhalten, erfordert gewisse finanzielle Reserven. Hüten Sie sich vor vermeintlichen Schnäppchen aus dem Internet, einen problemlosen 3000-Euro-SL gibt es nicht! Studieren Sie diesen Ratgeber gründlich, ziehen Sie Fachliteratur zu Rate und knüpfen Sie Kontakte zur rührigen Clubszene. Mit etwas Geduld steht Ihr offener Traumwagen vielleicht bald in Ihrer Garage.

Das serienmäßige Hardtop macht aus dem Roadster ein stilvolles Ganzjahrescoupé. Es lässt sich problemlos zu zweit aufsetzen. Beim Gebrauchtfahrzeug sollte es unbedingt vorhanden und unbeschädigt sein.

Ahnenreihe: Die Baureihe 129 hat einen beeindruckenden Stammbaum.

1. Der richtige Wagen?

Alltagstauglichkeit

Jeder Mercedes der Baureihe R 129 ist – regelmäßige Wartung und Pflege vorausgesetzt – bestens alltagstauglich. Alle Motorvarianten waren von Beginn an mit geregelten Dreiwege-Katalysatoren ausgerüstet und erhalten die grüne Feinstaubplakette.

Platzangebot

Der R 129 ist prinzipiell als zweisitziger Roadster konzipiert. Optional gab es tatsächlich auch eine Rücksitzbank (nicht für Fahrzeuge mit „Bose“-Soundsystem!), die sich aber eher als zusätzliche Ablagefäche denn als Aufenthaltsort für nennenswerte Distanzen empfiehlt.

Die Fahrzeuglänge täuscht: Zwei Erwachsene finden vorn bequem Platz. Optional war eine Rückbank lieferbar. Auf ihr durften aber nur Personen bis 1,50 Meter Größe und 50 Kilogramm Gewicht Platz nehmen.

Bedienbarkeit

Die Servolenkung erfordert sehr geringe Bedienkräfte. Hat man sich als Mercedes-Neuling einmal an die Fußfeststellbremse gewöhnt, gibt die Bedienung eines R 129 keinerlei Rätsel auf. Alle Kontrollleuchten, Instrumente und Schalter sind selbsterklärend, auch in gut ausgestatteten Modellen gibt es kein Tastenchaos. Was auch der Tatsache zu verdanken ist, dass Mercedes-Benz in der SL-Klasse keine „Blindschalter“ duldete – die Zahl der Bedienelemente in der Mittelkonsole entspricht exakt der georderten Ausstattung.

So übersichtlich ist heute keine Armaturentafel mehr. Selbst bei üppiger Ausstattung, also mit vielen Schaltern auf der Mittelkonsole, findet sich jeder auf Anhieb zurecht.

Kofferraum

Gemessen am zeitgenössischen Wettbewerb ist der Laderaum des SL für bedacht zusammengestelltes Urlaubsgepäck für zwei Personen ausreichend dimensioniert. Transportermaße kann man natürlich nicht erwarten. Eine Durchlademöglichkeit in den Innenraum gibt es nicht.

Klein aber fein: Das Kofferabteil fasst Gepäck für zwei Personen. Erweitern lässt sich der Platz nicht. Mit knapp 4,50 Metern Länge passt der Wagen in jede Garage. Mit den langen Türen sollte man indes ein wenig aufpassen.

Platzbedarf/Garage

Mit einer Fahrzeuglänge von rund 4,50 Metern sollte ein SL der Baureihe R 129 in jede Garage passen. Die Fahrzeugbreite (1,80 Meter) ist auch kein Problem. Roadstertypisch verfügt er über recht lange Türen, diese werden sich in einer Normgarage nicht vollständig öffnen lassen.

Laufende Kosten

Betriebs- und Unterhaltskosten eines R 129 hängen natürlich stark mit der gewählten Motorisierung zusammen. Man sollte sich stets vor Augen halten, dass ein Mercedes SL kein billiges Vergnügen ist. Wer mit MB-Originalteilen wartet und repariert, zahlt entsprechend selbstbewusste Kurse. Die Motoren gelten allesamt nicht als Kostverächter, mit Verbräuchen mindestens im unteren zweistelligen Bereich sollte man rechnen.

Ersatzteile

Heute bestellt, morgen geliefert: Das gilt für jeden Mercedes-Vertragshändler und für im Grunde jedes benötigte Teil. Wesentlich günstiger, aber meistens nicht schlechter, liefert der gut sortierte freie Ersatzteilmarkt. Viele Anbieter haben sich auf die Baureihe spezialisiert, halten gebrauchte und Repro-Neuteile zu fairen Preisen parat. Als erste Adresse gilt das werkseigene Gebrauchtteile-Zentrum (MBGTC), wo es grundüberholten Ersatz mit Garantie gibt. Längst haben sich auch Schrotthändler auf Mercedes-Baureihen spezialisiert.

Versicherung

Ein SL-Roadster läuft nicht zum Polo-Tarif! Das sehen auch die Versicherungskonzerne so, die Cabriolets generell höher einstufen als Fahrzeuge mit geschlossenem Dach. Ein Mercedes SL war und ist auch stets begehrtes Diebesgut und beliebtes Opfer von Vandalen, auch das kalkulieren die Versicherer in die Prämie ein. Für einen Youngtimer- oder Klassikertarif kommt die Baureihe R 129 bei den meisten Assekuranzen noch nicht in Betracht. Nachfragen kann sich allerdings lohnen.

Werterhalt

Der Markt hat sich noch nicht vollständig sortiert: Überschminkte Blender und Tuningopfer aus x-ter Hand gibt es für erstaunlich kleines Geld. Sie stellen für Liebhaber und Sammler kaum eine Option dar. Ordentliche SL, die als „Daily Driver“ genutzt werden und hier und da Gebrauchsspuren aufweisen, sind für unter 10.000 Euro zu bekommen und halten ihren Wert. Selbst für sehr gut erhaltene und topausgestattete Roadster, möglicherweise aus prominentem Vorbesitz, sind (noch) keine horrenden Summen zu zahlen. Die Szene hat den R 129 aber auf dem Radar, gute Autos mit nachvollziehbarer Historie verlieren kein Geld mehr.

Gute Seiten

Es gibt kaum ein stilvolleres Spätachtziger-/Neunzigerjahre-Cabriolet als diesen SL-Roadster. Satt, elegant und massiv liegt er auf der Straße und verströmt eben jenes aus dem Vollen gefräste und wie für die Ewigkeit gebaute Flair jener Mercedes-Benz-Epoche, in der scheinbar noch ausschließlich Ingenieure die Entwicklungshoheit besaßen. Der zeitlose Sacco-Stil bildet auch heute noch einen angenehmen Ruhepol inmitten immer überdrehter wirkender Designs.

Schlechte Seiten

Der R 129 durchschreitet gerade sein Preistal. Das hat zur Folge, dass viele Blender am Markt sind. Auf verdächtig günstige Preise sollten Sie nicht hereinfallen! Für 3000 Euro gibt es keinen problemlosen SL aus erster Hand. Die Folgekosten, die ein solches vermeintliches Schnäppchen nach sich zieht, können exorbitant sein.

Alternativen

Wer auf ähnliche Tugenden Wert liegt, wie sie der R 129 bietet, aber mehr Platz benötigt, mag sich dem Cabriolet der Baureihe 124 zuwenden, das den Sprung in den Klassikerolymp bereits vollzogen hat und schon lange nicht mehr billiger wird. Kurios: Gute Exemplare notieren teilweise deutlich über 129ern. Hauptkonkurrent BMW hatte seinerzeit keine Alternative zu bieten. Offene und exklusive Zweisitzer gab es natürlich auch bei Porsche (911, 944, 968), wobei sich gerade die Transaxle-Typen am Klassikermarkt etablieren, was sich in steigenden Preisen ausdrückt. Auch der Blick nach Übersee lohnt, eine zeitgenössische Corvette ist immer reizvoll. Auch, wenn deren Verarbeitungs- und Materialstandard nicht mit dem des SL zu vergleichen ist.

Offene Alternative: Das Cabriolet der Baureihe 124 ist ein echter Viersitzer und in gutem Zustand inzwischen richtig teuer.

2. Kosten – erschwinglich oder nicht?

Besonders anfällig sind die Motoren (hier der V8) nicht. Einzig dem frühen 300 SL–24V eilt der Ruf voraus, eine „Diva“ zu sein, was sich bei pfleglicher Behandlung nicht bewahrheiten muss.

Der SL ist ein komplex gebautes Auto. Vieles davon kommt der enorm großen Verwindungssteifigkeit und der Sicherheit zugute.