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Inhalt

Vorwort:

Wir sind Köche

Kapitel 1
Einleitung

Kapitel 2
Die Geschichte des Keramikgrills

Kapitel 3
Wie funktioniert ein Keramikgrill?

KAPITEL 4
Die Geschmacks-
komponenten

Garstufen und Kerntemperaturen

PAKs und Zwei-Phasen-Grillen

KAPITEL 5
Der Keramikgrill im Einsatz

KAPITEL 6 Garmethoden

Entrecôte vom Grill

Früchte vom Grill

Venusmuscheln und Herzmuscheln vom Grill

Gegrillter Hummer mit Limettenmayonnaise

Mit Whiskyholz geräucherter Schellfisch

Langsam gegarter Schweinenacken

Pizza Margherita

Brötchen

Grillen und „Rückwärtsgrillen“ eines Côte de Bœuf

Kabeljau auf Erlenholzplanke

Geröstete Kartoffeln und Knollengemüse

Tomahawk caveman style

Hähnchen auf dem Geflügelhalter

Doppelt gegrillte Bavette

Gegrilltes Blattgemüse mit Balsamico-Dressing

Auf Lorbeer gegrillte Wachteln

Gegrillter Kalmar mit Aïoli

Gemüselasagne

Auf Buchenholz warm geräucherte Makrele

Auf Kirschholz geräuchertes Hirschfilet

Auf Eichen- und Apfelholz geräucherter Bauchspeck

Focaccia

Dinkelvollkornbrot

Quiche

Apfel-Mandel-Streuselkuchen

Pizza bei niedriger Temperatur

Gegrilltes Wildschein-Karree mit Kaffee-Kastanien-Sauce

Marokkanische Lammkeule

Geschmortes Wildkaninchen

Entenbrustfilet mit Orange und Thymian

Truthahn auf dem Geflügelhalter

Geräucherte Rillettes vom Schweinekopf mit knusprigen Ohren

Literatur zum Thema und Quellen

Danksagung

Glossar

Register

Legende

Impressum

Vorwort:
Wir sind Köche

Vor vier bzw. acht Jahren lernten wir den Keramikgrill kennen und zwar in Gestalt des Big Green Eggs. Wir waren sofort Feuer und Flamme und kochen bis heute noch so gut wie jeden Tag damit.

Seitdem haben wir an vielen außergewöhnlichen Orten gegrillt und auf unzähligen Vorführungen unsere Keramikgrills vorgestellt: an einem Strand in den Tropen, aber auch hoch oben in den Alpen – bei Temperaturen von -16 bis +35 °C. Bei starkem Wind, Regen, Schnee und strahlendem Sonnenschein, genauso wie im Gartencenter um die Ecke. Beim Catering für Hunderte von Menschen oder beim exklusiven Dinner im eigenen Restaurant.

Während wir über die oftmals außergewöhnlichen Locations nur staunen können, ist der Keramikgrill stets derselbe geblieben: verlässlich, gut temperierbar und sparsam im Brennmaterialverbrauch.

Es ist nun an der Zeit, unsere Erfahrungen in einem Buch zusammenzufassen. Vor allem, weil inzwischen immer mehr Menschen den Keramikgrill für sich entdecken – als ein Grillgerät, das das Outdoor-Kochen verändert.

Das Buch wendet sich vor allem an Hobbyköche, aber auch Profis können noch einiges lernen. Wir sind davon überzeugt, dass Sie mit Hilfe des vorliegenden Buches zu allen Jahreszeiten viel Spaß mit dem Keramikgrill haben werden.

Jeroen Hazebroek
und Leonard Elenbaas

Jeroen Hazebroek (r.) und Leonard Elenbaas

Kapitel 1
Einleitung

Der Keramikgrill ist in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden. Fast jedes Jahr drängen neue Hersteller auf den Markt, während gleichzeitig die Nachfrage der Konsumenten nach Informationen stark zunimmt. Der Keramikgrill hat Menschen, die früher nie gegrillt hätten, ins Freie gelockt. Er ist eine komplette Outdoor-Küche und so völlig anders als alles, was wir bisher kannten. Für viele Grillbegeisterte – zu denen wir uns auch zählen – war der Keramikgrill der logische Schritt in der Entwicklung des Outdoor-Kochens. Mit ihm erhielten wir zusätzliche Zubereitungsmöglichkeiten und eine ausgezeichnete Kontrolle über die Temperatur.

Ein Keramikgrill ist wahrlich keine Zauberkiste. Mit ihm avancieren Sie nicht plötzlich zum Sternekoch und auch das Essen grillt sich nicht von selbst. Doch das Ergebnis Ihrer Arbeit ist um einiges besser als bei einem herkömmlichen Grill. Sie müssen lediglich etwas Zeit investieren, um zu lernen, wie Sie mit dem Gerät tolle Gerichte zubereiten können. Und was noch wichtiger ist: Falls Sie bisher mit einem Kugelgrill gearbeitet haben, müssen Sie sich etwas umgewöhnen und ein paar Dinge wieder verlernen. Mit dem Kauf dieses Buches haben Sie bereits einen wichtigen Schritt getan. Wir möchten Ihnen helfen, auf Ihrem Keramikgrill perfekt zu grillen, indem wir Ihnen Funktionsweisen und Techniken zeigen, sowie Rezepte an die Hand geben. Außerdem erfahren Sie alles über die Geschichte und das Konzept des Gerätes.

Verwendete Marken und Modelle

In diesem Buch halten wir uns mit einer Empfehlung bewusst zurück. Wir wissen, dass eine Kaufentscheidung letztlich eine Abwägung zwischen Design, Preis und Qualität ist. Wir haben für dieses Buch insgesamt sieben Monate mit großem Vergnügen sechs Hersteller getestet und mit jeder Marke die in diesem Buch vorgestellten Rezepte und Techniken ausprobiert. Nachdem wir die Geschichte des Keramikgrills recherchiert hatten, die wir im folgenden Kapitel beschreiben, fiel unsere Markenwahl ziemlich eindeutig aus: Wir haben mit Kamado Joe, Grill Dome, Primo, Big Green Egg, Monolith und Broil King Keg gearbeitet. Ein wichtiges Argument bei der Kaufentscheidung ist sicherlich der Umgang der Hersteller mit Garantiebestimmungen. Die Garantie, die die Hersteller auf ihre Keramik gewähren, sagt einiges über ihr Vertrauen in ihr Produkt aus. Für jede getestete Marke können wir gute Kaufargumente nennen. Wir haben aus­schließlich mit Standardmodellen gearbeitet. Je nach Hersteller heißen die Modelle Large, Standard, Family oder Classic. Diese Geräte haben einen Grillrostdurchmesser zwischen 45 und 50 cm. Fast jeder Hersteller bietet kleinere und größere Modelle an. Der Unterschied liegt vor allem im Fassungsvermögen. Lediglich die kleinsten Modelle mit einem Grillrostdurchmesser von weniger als 30 cm funktionieren etwas anders, da sie nicht immer über einen Deflektorstein verfügen.

Wie ist das Buch aufgebaut?

Bei den meisten Kochbüchern neigt man dazu, sofort die Rezeptseiten aufzuschlagen. Bei uns finden Sie die Rezepte im zweiten Teil des Buches. Wenn Sie mit dem Keramikgrill bereits gut vertraut sind und sofort loslegen wollen, dann können Sie direkt zum Rezeptteil blättern und sich erst später die Zeit nehmen, sich mit dem Konzept und der Geschichte des Keramikgrills zu beschäftigen.

Mit diesem Buch möchten wir alle Fragen beantworten, die uns tagtäglich bei Vorführungen, auf Messen, in Internetforen und über soziale Medien gestellt werden. Wir beantworten diese Schritt für Schritt in den Kapiteln 2 bis 5:

Was ist ein Keramikgrill und woher kommt er?

Wie funktioniert ein Keramikgrill im Innenraum?

Welches Zubehör gibt es und welches braucht man?

Welches Brennmaterial ist ideal?

Welchen Einfluss hat der Keramikgrill auf den Geschmack einer Speise?

Wie zündet man den Keramikgrill an und wie regelt man die Temperatur?

Was muss ich über Pflege und Reparatur wissen?

Wollen Sie sich zunächst über den Keramikgrill informieren oder denken Sie bereits über einen Kauf nach (es ist schon eine ordentliche Investition)? Dann beginnen Sie am besten bei Kapitel 2. Lassen Sie sich von uns durch das Buch führen. In Kapitel 6 wenden wir uns der Praxis zu und erklären 13 Techniken, vom Grillen eines Steaks bis zum Backen einer Pizza. Zu jeder vorgestellten Methode finden Sie ein ein­faches Rezept mit wenigen Zutaten, sodass Sie sich voll und ganz auf das Erlernen der Techniken konzentrieren können. Die Rezepte können Sie problemlos zu kompletten Menüs zusammenstellen. In Kapitel 7 finden Sie schließlich 19 Rezepte, bei denen Sie dann alle Techniken vertiefen können. Einige Rezepte sind sehr einfach umzusetzen, andere sind arbeitsintensiver und – wie im Fall der Schweinskopfrillette – auch etwas zeitaufwändiger.

Sie merken schon: Mit diesem Buch in der Hand werden Sie jeden Tag Ihre Mahlzeiten auf dem Keramikgrill zubereiten wollen. Nicht nur Fleisch und Fisch, sondern auch Gemüse, Brot und Desserts; nicht nur im Sommer, sondern das ganze Jahr hindurch …

Kapitel 2
Die Geschichte des Keramikgrills

Um die Form und Funktion des Keramikgrills besser verstehen zu können, ist es sinnvoll, einen Blick auf die Geschichte dieses Grillgerätes zu werfen. Uns haben die Informationen zur Geschichte, die wir auf den Websites der Keramikgrill-Hersteller und in deren Anleitungen fanden, nicht ausgereicht. Meist gab es dort nur einen schwammigen Verweis auf ein chinesisches Grillgerät aus der Qin-Dynastie, der ergänzt wurde durch eine leidenschaftliche Geschichte über den Firmengründer. Wir haben uns aufgemacht, um in Büchern zur Geschichte des Kochens nach Hinweisen auf den Keramikgrill zu suchen. Fast ein Jahr lang dauerte unsere Suche nach ergessenen Websites und obskuren Quellen us Japan und den Vereinigten Staaten.

Feuerloch

Ein Keramikgrill ist sowohl Grill als auch Ofen, den es in dieser Form erst seit etwa hundert Jahren gibt. Wahrscheinlich hätten wir nie von ihm gehört, wäre die amerikanische Armee nicht nach dem Zweiten Weltkrieg in Japan gewesen. Der Ursprung dieser kleinen Tontöpfe reicht jedoch noch viel weiter zurück: Die Spur führte uns über 5.000 Jahre in der Geschichte zurück nach China, nach Indien und bis zu den ersten Tandur-Öfen des Industals im heutigen Pakistan und in Mesopotamien, dem heutigen Syrien und Irak.

Der Tandur

Der Tandur ist in großen Teilen Asiens schon jahrhundertelang der bevorzugte Ofen zum Backen von Fladenbrot und zum Grillen von Fleisch. Heute ist dieser Tontopf in vielen Kulturen als tandoor, tandyr, tannur und tinur bekannt. Uns fehlt zwar der unwiderlegbare Beweis, aber wir sind überzeugt, dass der Tandur der Vorläufer des modernen Keramikgrills ist.

Kochfeuer

Anthropologen streiten sich über die Entstehungszeit des Kochfeuers. Schätzungen schwanken zwischen 1,8 Millionen und 130.000 Jahren. Wir können allerdings mit Sicherheit sagen, dass es schon vor etwa 250.000 Jahren gab: Aus dieser Zeit stammt nämlich der erste Nachweis von einer Feuerstelle und gebratenem Fleisch. Vor 40.000 Jahren war das Kochfeuer das wirksamste Instrument zur Nahrungszubereitung. Der Mensch des Neolithikums grub bereits ein Feuerloch oder erhöhte den Rand seiner Feuerstelle mit Steinen, um die Flammen vor Wind zu schützen. Der Boden wurde zuvor mit flachen Steinen ausgelegt, die die Wärme speichern sollten. Ton hat die praktische Eigenschaft, dass er bei Hitze hart wird und gut isoliert. Als das Feuerloch statt mit Steinen mit diesem Ton verstärkt wurde und die Öffnung nach oben hin schmaler zulief, entstand eine Art Urform des Tandurs, den man als Ofen nutzen konnte. Durch die runde Form lässt sich das Brennmaterial durch Wärmeübertragung und -reflektion sehr effektiv nutzen. Wenn das Holzfeuer heruntergebrannt ist, kann man in dieser runden Form mit der Glut und der an der Wand gespeicherten Wärme kochen und backen.

Es war jedoch ein großer Entwicklungsschritt vom mit Ton ausgekleideten Feuerloch zum freistehenden Keramiktopf. Der Mensch lernte vor etwa 17.000 Jahren in China Töpfe zu brennen. Lange Zeit wurden Tontöpfe hergestellt, indem sie über dem offenen Feuer unter Drehen erwärmt wurden; erst später wurden sie in Öfen gebrannt. Um einen großen hitzebeständigen Topf zu brennen, brauchte man einen geschlossenen Ofen, der größer war als der Tandur.

Flussbesiedlung

Der älteste Tandur wurde vor rund 5.000 Jahren in einem solchen Ofen gebrannt. Der Ton findet sich in ausgetrockneten oder zugeschütteten Flussbetten. Daher verwundert es kaum, dass die ältesten bekannten Tandurs in den frühesten Flusssiedlungen am Indus und in Mesopotamien entdeckt wurden. Die Besiedlung des Industals erlebte vor 5.000 bis 3.500 Jahren ihre Blütezeit und beeinflusste alle späteren Kulturen in Afghanistan, Indien und Pakistan. Mesopotamien – vom griechischen mesos und potamos: zwischen den Flüssen – lag im heutigen Syrien und Irak.

Tandur

Die Mesopotamier hielten glücklicherweise alles schriftlich fest. Ihre in Keilschrift verfassten Texte waren ein Handbuch des Alltagslebens – von der Getreideernte über das Mahlen mit Mühlsteinen bis zum Brotbacken im Tandur (tinur im Meso­potamischen). Dieser Kultur verdanken wir die ersten niedergeschriebenen Rezepte und sogar das erste Kochbuch. Wie beispielsweise Brote aus eingegrabenen Tandur-Öfen, sowie Speisen, die in kleinen Töpfen und Schalen am Rand des Tandurs zubereitet wurden. Der Tandur wurde auch als Herd genutzt, auf den dann ein weiterer Topf kam. Die Mesopotamier beeinflussten die Kulturen des gesamten Mittleren Ostens. Noch heute sind ihre Spuren von Israel bis Aserbaidschan erkennbar.

Die Verbreitung des Tandurs und des Ofens geschieht etwa gleichzeitig mit dem Aufkommen des ersten Brotes. Der Tandur kann vor allem für das Backen von Fladenbrot genutzt werden: Ein flaches Teigstück wird bei hohen Temperaturen (ca. 400 °C) an die Innenwand des Tandurs geklebt. Durch die Hitze der Wand, die Strahlung der Glut und die sich übertragende Hitze wird das Brot in relativ kurzer Zeit gebacken. Diese Brote, mit und ohne Hefe, werden auch heute noch traditionell in vielen Kulturen gebacken und sind als khubz, lavash, naan oder chapati bekannt.

Seit dem Altertum hat sich der Tandur in Form und Funktion kaum verändert. Er ist im Prinzip in ganz Asien, ausgenommen sind China und Südostasien, verbreitet.

Yan-Dampftopf

China und Japan

In Teilen Chinas wurde bereits vor 17.000 Jahren das Töpfern erfunden. Hier gab es keine Getreidekultur wie in Mesopotamien oder am Indus, sondern es wurde Reis angebaut, der gekocht oder gedämpft wurde. Das Prinzip der chinesischen Keramikkochtöpfe war mit dem Tandur verwandt, da auch bei ihnen Feuer und Glut von einer runden Form umschlossen waren, um die Hitze und die Luftzirkulation (Konvektion) optimal nutzen zu können. In China wird diese Feuerschale ding genannt. Zum Kochen von Reis wurde darauf ein Topf gesetzt, der als zeng bekannt ist. In der Qin-Dynastie wurde dieses System weiterentwickelt: Zwischen Reis und Feuer kam nun ein Wassertopf und der Boden des Reistopfes erhielt ein Loch. So entstand vor 2200 Jahren der Yan-Dampftopf, der erste Reisdämpfer.

Japan und der Einfluss

des Festlands

Japan besaß genau wie China keine Brotkultur, doch auch hier wurden schon früh Tontöpfe gebrannt (vor 12.000 Jahren in der Jomon-Kultur). In der Yayoi-Zeit (300 v. Chr. bis 300 n. Chr.) erlernten die Japaner den Reisanbau. Sie kochten den Reis in Keramiktöpfen auf dem offenen Feuer. Eine bedeutsame Periode in der japanischen Geschichte war die Kofun-Zeit (250 bis 538 n. Chr.), in der die Japaner viele Technologien und Bräuche aus China übernahmen. Durch chinesische und koreanische Einflüsse lernten sie, bessere Töpfe zu brennen. So entstand, inspiriert durch den Yan-Dampftopf, der erste Keramikgrill kamado.

Das Wort bedeutet im Japanischen so viel wie Feuerstelle oder Küche; vielleicht am besten vergleichbar mit unserem Wort Herd. Der Keramikgrill war fest im Haus eingebaut und besaß häufig einen Rauchauslass, der durch die Mauer nach draußen führte. In der frühen japanischen Kultur war er Mittelpunkt der Küche, vermutlich gemeinsam mit einer offenen Feuerstelle oder einem shichirin, einer kleineren Feuerschale aus Ton, auf der gekocht und gegrillt wurde. Im Westen ist dieses Gerät seit den 1950er Jahren als hibachi bekannt. Es stellt sozusagen die mobile Variante eines Keramikgrills dar.

Klebreis

In der Geschichte der japanischen Küche zwischen der Kofun- und Edo-Zeit wurde gekochter Klebreis beliebter als gedämpfter Reis. Das Gefäß für Wasser zwischen Feuer und Reistopf wurde entfernt und der Reis garte nun in einer Pfanne oder einem Topf im Wasser. Die endgültige Form des fest installierten Keramikgrills entstand in der Edo-Zeit, dem japanischen Mittelalter.

Es war nicht einfach, auf dem ursprünglichen Keramikgrill Reis zu kochen: Zuerst musste der Topf (okama) erhitzt werden, damit das Wasser mit dem Reis zu kochen begann. Dann musste die Hitze reduziert werden, damit der Reis am Boden nicht anbrannte. Das war jedoch einfacher gesagt als getan; schließlich ließ sich nicht einfach wie bei einem Gasherd die Flamme herunterdrehen. Hierfür war traditionell die Frau des ältesten Sohnes verantwortlich. Sie war diejenige, die im Rauch und im Feuer Holzscheite versetzen oder herausholen musste. Der fertige Reis wurde dann in ein Holzgefäß gefüllt. So wurde der Garprozess gestoppt und ein Teil der Flüssigkeit konnte abfließen. Von der Wahl der Reissorte war abhängig, ob man am Ende Klebreis oder trockene Körner erhielt.

Ur-Keramikgrill

Neuere Geschichte

Der Mushi-Kamado (Japanisch für Reiskocher) ist letztendlich der Vorläufer unseres Grills. Er sieht fast genauso aus wie ein Keramikgrill, hat aber eine andere Funktion. Es muss in der Entwicklung des Mushi-Kamado einen Moment gegeben haben, in dem jemand überlegt hat: Was passiert, wenn ich einen Deckel über Kamado und Topf (okama) stülpe? Lässt sich so die Wärme speichern und gleichzeitig das Feuer löschen? Die praktische Lösung bestand darin, einen shichirin mit Holzkohle, auf dem ein okama stand, in ein großes rundes Gefäß zu setzen, dessen Oberseite abnehmbar war. Es ist nicht klar, ob diese Idee aus dem Kontakt der Japaner des 19. Jahrhunderts mit der indischen Kultur und dem Tandur entstand, aber wir glauben, dass es so gewesen sein muss.

Der erste runde Mushi-Kamado mit Deckel wurde etwa 1900 v. Chr. gebrannt, und zwar in der Nähe des Ortes Hekinan an der Mikawa-Bucht in der Aichi-Präfektur im süd­lichen Teil der japanischen Insel Honshu. Diese Region war bekannt für ihren dort abgebauten schweren Ton sowie für die Produktion von Sanshu-Karawa (haltbare Keramik­dachpfannen) und shichirin (offener Grill).

Mushi-Kamado

(Keramikgrill)

Die 1950er-Jahre

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Japan von amerikanischen Truppen besetzt. Ein unbekannter amerikanischer Soldat nutzte den Mushi-Kamado zum Grillen. Wir können uns vorstellen, wie er auf diese Idee kam. In Amerika wurde nämlich direkt nach dem Krieg der Metallkugelgrill entwickelt, unter anderem durch Weber-Stephen. Ein Kugelgrill unterscheidet sich in seiner Form kaum von einem Keramikgrill.

Als nun die Amerikaner den Mushi-Kamado in den 1950er Jahren als Grill gebrauchten, passierte etwas Merkwürdiges: Es entstand ein Gerät, das nicht nur zum leichten Garen und Dämpfen genutzt werden konnte, sondern auch alle Vorteile und nur wenige Nachteile eines Tandurs in sich vereinte. Mit dem Keramikgrill kann man Brot backen und Fleisch grillen, genau wie im Tandur. Wie dieser arbeitet er mit Konvektion, Kontaktwärme und Glut. Die Feuerschale (shichirin) steht offen auf dem Boden, sodass die Luft ungehindert einströmen und die Asche durch einen Rost auf den Boden fallen kann. Die Temperatur lässt sich durch eine Verringerung des Luftstroms zwischen unterer Luftklappe und Schornstein regulieren. Holzkohle und Grill sind gut zugänglich, da sich der Deckel öffnen lässt; zu Beginn durch Anheben, später mit einem Scharnier.

Als Reiskocher ist der Mushi-Kamado letztendlich kein Verkaufsschlager geworden. Toshiba hatte 1956 mit seinem ersten elektrischen Reiskocher großen Erfolg. Schon zehn Jahre später besaßen 88 Prozent aller japanischen Haushalte einen günstigen elektrischen Reiskocher. Heute findet man den Mushi-Kamado wieder in traditionsbewussten Sushi-Restaurants. Noch immer kann man einen original Mushi-Kamado kaufen; er kostet etwa so viel wie ein Keramikgrill im Westen.

Die 1960er- und 1970er Jahre

Der Import und Verkauf des Mushi-Kamados nahm erst in den 1960er-Jahren durch die beiden amerikanischen Zivilpiloten Richard Johnson und Farhad Sazegar richtig an Fahrt auf. Richard Johnson kaufte (nach eigener Aussage) den Kamado in einer japanischen Fabrik und setzte einen Grillrost ein. Dann ließ er einen Temperaturregler installieren und ein Scharnier, um den Deckel öffnen und schließen zu können. Ursprünglich besaß der Deckel Ohren, um ihn hochzuheben. Nach diesen Änderungen verkaufte er seinen Keramikgrill zum Preis von zwölf Dollar an amerikanische Soldaten vor Ort.

Die Piloten begannen nun unter einer Eigenmarke Keramikgrills für den amerikanischen Markt zu importieren. Die ersten amerikanischen Patente wurde von den beiden Männern, unabhängig voneinander, um 1965 beantragt.

Richard Johnson ist, vorsichtig ausgedrückt, eine kontroverse Figur. Seit 40 Jahren wird er beschuldigt, Kunden getäuscht und Geschäftspartner betrogen zu haben.

Farhad Sazegar, Zivilpilot mit persisch-amerikanischen Wurzeln, verkaufte seine Keramikgrills unter dem Namen Sazco oder CasaQ (Modell Sultan und Modell Genie). CasaQ war ziemlich erfolgreich und er brachte sogar ein eigenes Kochbuch heraus. Beide Marken wurden in traditionellen Fertigungsbetrieben in Japan produziert.

1973 kam in Kalifornien eine neue Marke mit dem Namen Imperial Kamado auf den Markt, die schnell zum Marktführer aufstieg und noch heute als Standard für Keramikgrills aus Ton gilt. Imperial Kamado bezog seine Gefäße bis etwa 1995 aus drei Keramikfabriken in Japan, bis zwei der Fabriken schließen mussten. Danach verlagerte Imperial Kamado seine Produktion nach China, mit der unbeabsichtigten Folge, dass eine vollkommen neue Keramikgrill-Industrie entstand.

Der Flipperautomat

Pachinko Palace aus dem kalifornischen San Mateo begann 1974 mit dem Import von Keramikgrills. Ein Pachinko ist eine Art hochstehender japanischer Flipperautomat. Die Keramikgrills wurden zunächst über Imperial Kamado oder direkt aus Japan bezogen, später dann teilweise aus Taiwan und China. Die Produktnamen von Pachinko Palace waren fantasievolle Kreationen wie Hibachi-Pot, Barbecue-Pot und Sakura Kamado. Ein anderer Importeur und Verkäufer der japanischen Flipperautomaten war der aus Atlanta, Georgia, stammende Ed Fisher. Er begann nebenbei – meist grüne – Keramikgrills zu verkaufen, dachte aber anfangs nicht daran, damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ed Fisher erkannte, dass ein Grill aus Ton mehrere Nachteile hatte, die einem durchschlagenden Erfolg im Weg standen, denn bei Temperaturen von mehr als 200 °C bekam dieser häufig Risse. Auch waren sie vergleichsweise schwer und barsten häufig beim Transport.

Auf ihnen konnte man zwar wunderbar garen und langsam grillen, doch der amerikanische Verbraucher wollte darauf auch Pizza backen und bei sehr hohen Temperaturen grillen.

Das Raumfahrtprogramm der NASA beschäftigte sich zu dieser Zeit mit leichter und hitzebeständiger Keramik und so entwickelte sich die Keramiktechnologie in den 1960er- und 1970er-Jahren stark weiter. Ein Bekannter, der an der technischen Universität von Georgia arbeitete, stellte für Ed Fisher den Kontakt zu einer modernen Keramikfabrik im mexikanischen Monterrey her, die über Öfen und entsprechendes Know-how verfügte, um einen Keramikgrill aus High-Tech-Keramik zu produzieren. Technische Keramik besteht aus einer Mischung verschiedener Materialien, wie Siliziumkarbid, die sich nach dem Brennen durch eine einzigartige Wärmeisolierung und Haltbarkeit auszeichnen. Zudem war es eine Herausforderung, eine Glasur aus Stoffen wie Feldspat zu produzieren, die sich ohne Rissbildung ausdehnen und zusammenziehen konnte.

Die Fabrik in Mexiko fertigte mehrere Probegefäße und kombinierte hierbei verschiedene Eigenschaften. Das Ergebnis war ein leichter, haltbarer und hitzebeständiger Keramikgrill und stellte die Geburt des The Big Green Egg® dar. In den 1980er-Jahren eroberte The Big Green Egg mit seiner haltbaren, hitzebeständigen technischen Keramik den Markt und setzte sich vor andere Hersteller wie Imperial Kamado. Es entstand eine Art Kult unter den Verbrauchern, den eggheads, die ihren grünen Keramikgrill liebten.

Ein anderer amerikanischer Unternehmer kam in Bezug auf den japanischen Ton-Grill zum selben Schluss wie Ed Fisher: Tarsem Kohli wurde in der ehemalige Provinz Punjab geboren, nahe der Heimat des Tandurs. Auf der Suche nach einer hitzebeständigen Keramik kehrte er in sein Geburtsland zurück und entwickelte eine völlig andere technische Keramik als Ed Fisher. Diese war wesentlich poröser und isolierte besser, zeigte aber vergleichbare Kochresultate. Der Grill Dome ging 1989 in Indien in Produktion und löste das Problem der rissigen Glasur, indem die Außenschicht mit verschiedenen Lackschichten überzogen wurde.

1996 tauchte mit Primo eine dritte Keramikgrill-Marke mit leichter technischer Keramik am amerikanischen Markt auf. Der griechische Unternehmer George Saramas begann in Atlanta mit der Fertigung eines schwarzen Keramikgrills und nannte seine Firma Primo. Auf den ersten Blick erinnerte dieser in Form und Verarbeitung stark an den Big Green Egg. Die wichtigste Neuerung von Primo war der Oval, der, wie die der Namen schon sagt, eine breite Bauform aufweist. Er besitzt ein integriertes System, welches sowohl die Heiz- als auch die Kochfläche vertikal teilt.

Europa

Zu Beginn des Jahrhunderts importierte Wessel Buddingh‘ die ersten Big Green Eggs in die Niederlande, doch der europäische Markt erforderte eine vollkommen andere Marketing­strategie: Von Anfang an zielte Big Green Egg auf die Spitzenrestaurants in den Niederlanden und in Belgien. Die ersten Exemplare standen dementsprechend in Restaurants mit zwei oder drei Michelin-Sternen. Das ist eine Entwicklung, die man in Amerika noch immer mit Staunen beobachtet. Man erkannte, dass Grillen mit dem Keramikgrill in vielerlei Hinsicht anderen professionellen Grillmethoden überlegen ist. Die Restaurants wussten ihre Gäste zu be-
geistern und die Marke eroberte Europa. Die anderen beiden amerikanischen Hersteller Grill Dome und Primo folgten rasch und machten ebenfalls über die Niederlande ihre ersten Schritte auf dem europäischen Markt.

Neue Hersteller

2003 entdeckte der amerikanische Unternehmer und Möbeldesigner Dennis Linkletter im indonesischen Surabaya eine stillgelegte Fabrik mit gekachelten Keramikgrills. Der chinesische Eigentümer hatte seinerzeit mit Richard Johnson zusammengearbeitet (der Mann, der in den 1960er-Jahren in Japan begonnen hatte). Anscheinend war nach der Produktion von zwei Schiffscontainern mit Keramikgrills nie Geld nach Indonesien geflossen. Dennis Linkletter kaufte die Fabrik und machte sich daran, den Keramikgrill komplett neu zu entwerfen – mit anderen Materialien wie feuerfestem Zement, mit neuen Isoliermaterialien und einer weniger runden Form. Durch diese ovale Form ließ sich die Konvektion auf eine neue Art und Weise regeln.

So entstand der Komodo Kamado, der Spitzenreiter der Keramikgrill-Welt. Ein Komodo Kamado lässt sich ohne einen Wagen nicht transportieren und hat einem Preis, bei dem sich selbst begeisterte Keramikgrill-Griller zweimal an den Kopf fassen. Einige weltberühmte Barbecue-Champions schwören allerdings auf dieses Gerät.

Seit 2005 hat sowohl in Amerika als auch in Europa der Verkauf von Keramikgrills rasant an Fahrt aufgenommen. In China gab es, dank Pachinko Palace und Imperial Kamado, einige Fabriken, die zwar Erfahrung in der Herstellung der Geräte, jedoch keinen Markt dafür hatten. Das sollte jedoch nur eine Frage der Zeit bleiben: 2005 entstand die amerikanische Marke Kamado Joe und 2008 die deutsche Marke Monolith, die beide in der chinesischen Provinz Yixing produzieren.

2009 lasen wir zum ersten Mal etwas über den Bubba Keg, einen amerikanischen Kamado aus Metall, der erste seiner Art. Eine Isolierschicht zwischen den beiden Metallwänden sorgt dafür, dass die Wärme gut gespeichert wird. Inzwischen wurde die Produktion durch die kanadische Firma Broil King übernommen und dieser Kamado firmiert heute unter den Namen Broil King Keg oder Big Steel Keg.

Seit 2010 wird unter verschiedenen Markennamen eine große Menge chinesischer Keramikgrills nach Europa importiert. Allerdings ist die Qualität dieser Geräte sehr unterschiedlich.

In den vergangenen 120 Jahren hat sich der Keramikgrill vom Tontopf für die Reiszubereitung zu einem hochwertigen Grill- und Kochgerät aus unterschiedlichen Materialien weiterentwickelt.

Wir sind sehr neugierig, welche Innovationen aus welchen Ländern wir noch erleben werden. Wie sieht die Zukunft des Keramikgrills aus? Wird die günstige chinesische Variante, das einfach zu transportierende Metallgefäß oder der schwere Kachel-Keramikgrill das Rennen machen? Vielleicht setzt sich die Vielfalt durch, und es gibt einen Keramik­grill für verschiedene Anforderungen; sowohl für Profi- als auch für Hobbyköche.

Kapitel 3
Wie funktioniert ein Keramikgrill?